Als China begann, in Afrika Straßen zu bauen, waren die Menschen froh. Langsam kippt die Stimmung und der Ärger über die Asiaten wächst. Während die freundschaftlichen Verbindungen auf Staatsebene enger werden, wächst bei BürgerInnen die Abneigung. Ein Beispiel aus Kenia.
Als der Mann gefunden wurde, herrschte Aufregung im Dorf. Ein chinesischer Ingenieur war erschossen worden, gegen drei Uhr in der Nacht, von vier Unbekannten, in einem kleinen Dorf in Zentral-Kenia. Eine Straße sollten sie dort bauen, der 42-jährige Ingenieur und eine Gruppe chinesischer Arbeiter. Der Mord liegt nun zwei Jahre zurück, er war einer der ersten Übergriffe gegen chinesische Arbeiter in Afrika – weitere sollten folgen.
Denn der Ärger über die Asiaten wächst. Nicht nur in Kenia, obwohl hier die Chinesen kräftig investieren. Nicht nur Hilfe versprechen, sondern Hilfe leisten. Und Träume verwirklichen: Eine Straße von „Cape to Cairo“, von Kapstadt bis Kairo, war der Traum der einstigen britischen Kolonialherren und der Beweis für die Kraft Europas. Fertig gestellt wurde die Straße nie, mehrere Teilstücke fehlen noch.
Asiatische Arbeiter scheinen nun den kolonialen Plan zu vollenden, seit 2008 bauen sie im Hochland im Norden Kenias an der Grenze zu Äthiopien sauber geteerte Wege. Bisher waren die Straßen Staubpisten, unbefestigt und bei Regen unbefahrbar. Jetzt werden Wege geteert: in einem abgelegenen Landstrich, der von den Verantwortlichen vergessen scheint. John Ntet, ein Minibus-Fahrer aus der Region, sagt, es gebe eigentlich zwei Kenias: „Die Hauptstadt Nairobi und das Land draußen.“ „Draußen“, das sind die ländlichen Gebiete; und gerade hier, im armen Norden des Landes hält sich die Regierung mit Investitionen zurück. Nicht nur die Straßen sind schlecht, die ganze Infrastruktur ist es. Die Zahl der Schlaglöcher ist ein Zeichen, wie es wirtschaftlich um die Region steht.
Lange herrschten gewalttätige Fehden, Armut und Hunger im Norden Kenias. Deshalb waren die Menschen froh, als die Chinesen kamen. Für fast 64 Millionen US-Dollar baut eine chinesische Firma nun an der „Cape to Cairo“-Straße weiter zwischen Kenia und Äthiopien. 530 Kilometer Straße werden bei Isiolo in Kenia geteert, mehrere hundert Kilometer von der Hauptstadt Nairobi entfernt. Busfahrer Ntet sagt: „Wir versprechen uns viel davon.“ Denn mit dem Bau der Straße, den die Chinesen vorantreiben, komme Bewegung in die Region. Der eingeschlafene Handel zwischen Äthiopien und Kenia soll wieder belebt werden, TouristInnen sollen die Straße nutzen.
Freude, aber auch Skepsis: Die meisten seien dankbar für das, was die chinesischen Arbeiter tun, erzählt John Ntet. Aber bei immer mehr Menschen wachse auch die Unzufriedenheit. Der Mord an jenem chinesischen Ingenieur in Zentral-Kenia war der erste Vorfall. Vor knapp anderthalb Jahren – kurz nachdem mit dem Straßenbau an der kenianischen und äthiopischen Grenze begonnen wurde – wurde dort ein weiterer Ingenieur ermordet. Die Polizei sprach von einem Überfall einer bewaffneten Gruppe, die Einheimischen äußerten allerdings einem Reporter der Nachrichtenagentur Reuters gegenüber die Vermutung, es habe sich bei den Tätern um junge Erwachsene gehandelt.
Denn, sagt Fahrer Ntet, als er gerade auf eine frisch geteerte Straße einbiegt, vor allem Jugendliche und junge Männer seien es, die Wut empfänden. Wut über die chinesischen Arbeiter, über die „Partner“ aus Fernost, die investieren und Infrastruktur aufbauen – aber die Afrikaner nur zuschauen ließen. Während die KenianerInnen arbeitslos in Armut bleiben, bauen Chinesen Straßen durch ihr Land: Die chinesischen Unternehmen stellen kaum Einheimische ein. Für den Bau einer Straße werden asiatische Arbeiter für mehrere Wochen nach Afrika geschickt, asiatische Ingenieure leiten den Bau.
Kulturelle Unterschiede oder sprachliche Hürden müssen nicht überwunden werden, Chinesen gelten als fleißig und schnell – afrikanischen Arbeitskräften dagegen habe man alles, von grundlegenden Tätigkeiten angefangen, erst beibringen müssen, wird in einem deutschen Fernsehbeitrag ein chinesischer Ingenieur zitiert. Besonders die Führungspositionen werden mit Chinesen besetzt.
Wu Yi Bao, der chinesische Projektleiter, der im Norden Kenias für den Bau der kolonialen Traumstraße verantwortlich ist, weist diese Kritik von sich und erklärte einem Reporter, von 200 Arbeitern seien mindestens 150 einheimische Kenianer.
Trotzdem: Arbeitsplätze für Afrikaner werden von den chinesischen Unternehmen meist nur wenige geschaffen, auch das Know-how bleibt bei den Asiaten. Und wer schließlich einen Arbeitsplatz bekommen hat, schuftet oft unter schlechten Bedingungen: lange Arbeitszeiten, geringer Lohn, harte Arbeit, Druck von Vorgesetzten. Aufstände unter den Arbeitern und Streiks in chinesischen Firmen werden von der lokalen, afrikanischen Polizei unterdrückt. Und als Grundlage für Arbeitnehmer dienen oft die chinesischen Gesetze – auch in Kenia.
Bei vielen, vor allem bei den jungen Afrikanern, wächst daher die Enttäuschung. Nicht nur in Kenia wurden Chinesen ermordet, auch im Sudan wurden in der Vergangenheit asiatische Öl-Arbeiter ermordet. In Kamerun wurden sieben chinesische Fischer entführt, in Sambia mehrere Arbeiter überfallen. Bei einem Angriff in Äthiopien starben neun Chinesen, damals bekannte sich eine islamistische Rebellengruppe dazu, die versucht, die Chinesen aus dem Land zu vertreiben.
In Kenia schickte die Regierung nach dem Mord beim Straßenbau mehrere Dutzend paramilitärische Elitepolizisten in den Norden des Landes. Sie bewachten die arbeitenden Chinesen. Auch sonst versprachen die Kenianer ihren chinesischen Partnern die Aufklärung der Fälle und den Schutz der chinesischen Gastarbeiter. Inzwischen arbeiten rund vier Millionen ChinesInnen in Afrika, so die Washington Post.
Ärger auf die Asiaten bei den Menschen, festere Bande bei den Verantwortlichen: Während BürgerInnen ihren Unmut äußern, wird auf Staatsebene die Freundschaft enger. Eine gegensätzliche Entwicklung.
Anfang Mai erst war der kenianische Präsident Mwai Kibaki in China: „Zum dritten Mal innerhalb von fünf Jahren, das unterstreicht die engen Beziehungen zwischen Kenia und China“, sagte er stolz in Peking. Der chinesische Staatspräsident Hu Jintao sprach über Kibaki von einem „alten Freund Chinas“. Anfang des Jahres reiste der chinesische Außenminister, Yang Jiechi, nach Kenia und versprach, weitere sieben Millionen Dollar in Infrastruktur-Projekte zu stecken.
Randall Smith, Kommentator bei der kenianischen Tageszeitung Daily Nation, warnt nicht nur vor diesem Auseinanderdriften – Freundschaft unter den Regierenden, Abneigung und Unmut bei den BürgerInnen –, sondern auch vor Blindheit und Naivität: „Die Liste, die Kibaki nach Peking trug, liest sich wie mein Weihnachtswunschzettel als Kind: lang und unrealistisch.“ Santa Claus lebe nicht in China und man solle sich über eine Rechnung nicht wundern, so Smith.
Konkret geht es um die Investitionen und gemeinsamen Projekte Chinas und Kenias: Mit starker chinesischer Unterstützung soll ein Hafen in Lamu entstehen, an der Küste des Indischen Ozeans nördlich von Mombasa. Auch Eisenbahnverbindungen zwischen Mombasa und der ugandischen Hauptstadt Kampala und nach Norden Richtung Sudan und Äthiopien sind geplant. Damit werde der innerafrikanische Handel massiv gestärkt, erklärte der chinesische Außenminister. Inoffiziell würden Hafen und Eisenbahn wohl eher für den Abtransport von Öl aus dem Sudan Richtung China gebraucht, schrieben JournalistInnen.
Der bilaterale Handel zwischen Kenia und China betrug im Jahr 2008 rund 1,2 Milliarden Dollar, im vergangenen Jahr waren es wegen der Wirtschaftskrise nur 1,02 Milliarden Dollar. Allerdings ist der Import aus China mehr als dreißig Mal höher als der Export, so die afrikanische Wirtschaftszeitung Business Daily in einer Bilanz.
Der einseitige Handel zwischen China und Afrika könnte zum weiteren Problem werden, neben dem Ärger über Arbeitsplätze beim Straßenbau: Fernöstliche Stoffe, Spielwaren und Schuhe werden millionenfach nach Afrika gebracht. Die traditionellen, farbigen Stoffe, die auf Basaren – auch in Kenia – angeboten werden, sind heute oft in China produziert worden. Zum einen können afrikanische HändlerInnen nicht die Preise der Billigimporte aus China bieten, zum anderen machen asiatische KleinhändlerInnen in den Städten den Einheimischen Konkurrenz.
Der chinesische Staatspräsident Hu warnte schon vor einer Diskriminierung und vor antichinesischen Bewegungen in Afrika. Davon, sagt der einfache Fahrer John Ntet, sei noch nichts zu spüren. AfrikanerInnen seien freundliche Menschen, „wir wollen bloß keine zweite Kolonisierung“.
Benjamin Dürr arbeitet als Journalist u.a. für die Online-Ausgabe der deutschen Wochenzeitung „DIE ZEIT“ und schreibt über Menschen und Projekte in Afrika und Zentralasien.
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